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1.1.19 Arbeit und Tauschwert

Adam Smith beschäftigt sich mit der Frage, wieviele Campari-Erdbeer Torten eigentlich einem Fahrrad entsprechen. Da der Autor eine solche tatsächlich mal gebacken hat, würde er sagen, dass der Wert einer Campari-Erdbeer Torte mindestens zwei Fahrrädern mit Carbon Rahmen und kompletter Shimano Dura Ace Ausstattung entspricht, denn er hat sie mit viel Liebe gebacken, wenn auch nur mäßigem Erfolg.

Die Debatte an sich ist nun nicht besonders interessant, man könnte das Problem in fünf Minuten lösen und werden es später, wenn wir uns mit Alfred Marshall beschäftigen auch kurz und bündig abhandeln. Interessant ist das nur insofern, als über den Stuss 200 Jahre lang philosophiert wurde und man an den Schwachsinn in der DDR 50 Jahre lang geglaubt hat, denn von dieser These, der These also, dass der Wert einer Ware sich durch die in ihr verkörperten Arbeit bestimmt, führt ein direkter Weg zu Karl Marx. Es ist also ein eher psychologisch interessantes Phänomen. Das psychologische Problem dahinter allerdings, also die Frage, wie sich Ideologien verfestigen und die gesamte Gesellschaft difundieren, ist nun tatsächlich ein hochspannendes Thema, siehe Karl Marx, Karl Popper, Ernst Bloch.

Eigenartigweise teilt Adam Smith diese Ansicht, also dass die These, dass der Wert einer Ware sich durch die in ihr verkörperte Arbeit bestimmt einfach nur ideologischer Quark ist, nicht.

The value of any commodity, therefore, to the person who possesses it, and who means not to use or consume it himself, but to exchange it for other commodities, is equal to the quantity of labour which it enables him to purchase or command. Labour therefore, is the real measure of the exchangeable value of all commodities. Der Wert irgendeiner Ware besteht folglich für die Person, die sie besitzt und nicht vorhat, sie selbst zu nutzen, sondern sie zu tauschen, in der Menge an Arbeit, welche er damit erwerben kann oder über die er damit verfügen kann. Arbeit ist folglich der wahre Maßstab des Tauschwertes aller Güter.

aus: Book I, Chapter V

Vorbemerkung: Aufgrund einiger Stellen dieser Art in Wealth of Nations unterstellt man Adam Smith, dass er, ähnlich wie Marx, den Wert eines Gutes über die in ihm inkorporierte Arbeit definierte. Das bezweifeln wir. Wir finden viele Stellen, wo er den Wert einer Ware durch die Nachfrage (mit)determiniert sah. Das Problem zieht sich durch die ganze Klassik und Neoklassik. Im Grunde hat es aber Alfred Marshall, siehe Langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht, eindeutig gelöst.

Stellen dieser Art, es gibt davon einige, würde man jetzt normalerweise schlicht überlesen, denn das ist ziemlich wirklichkeitsfern, allerdings sind es genau die Stellen, die David Ricardo in seinem Werk "On the Principles of Political Economy and Taxation" (Über die Prinzipien der politischen Ökonomie und der Besteuerung) in den Vordergrund rückt und von David Ricardo führt dann eine direkte Spur zu Karl Marx.

David Ricardo stimmt dieser (falschen) Aussage von Adam Smith im Kern zwar zu, der Tauschwert einer Ware bestimmt sich aus der Arbeit, allerdings sieht er bei Adam Smith zwei Fehler.

Zum einen verneint er, dass sich der Wert einer Ware auf die im obigen Zitat genannte Möglichkeit bestimmen lässt (...Arbeit, welche er damit erwerben oder über die er damit verfügen kann....), denn dann müssten die Austauschverhältnisse immer gleich sein, also 100 Schwarzälderkirschtorten für ein Fahrrad mit Carbonrahmen und Shimano Dura Ace Ausrüstung.

Werden die Schwarzwälderkirschtorten jetzt industriell gefertigt (an alle Konditoren dieser Welt: DAS IST EIN BEISPIEL) und liegen bei Aldi im Tiefkühlfach, dann stimmt das nicht mehr. In diesem Fall haben sich die Relationen an eingesetzter Arbeit verschoben.

Unter Umständen arbeiten da jetzt nicht mehr 100 Konditoren, sondern ein Ingenieur, der auf den Knopf drückt und zuschaut. Allerdings geht David Ricardo davon aus, dass auch bei der Fahrradfabrik zunehmend Arbeit durch fixes Kapital ersetzt wird, so dass sich die relativen Beziehungen doch nicht ändern. Bis hierhin spezifiziert er Adam Smith also nur ein bisschen.

Bei Adam Smith hat eine Stunde Arbeit überall den gleichen Wert, bei Ricardo geht es um Relationen, die aber im Zeitverlauf konstant bleiben.

Wie später auch Marx meint er von der Qualität der Arbeit absehen zu können.

In speaking, however, of labour, as being the foundation of all value, and the relative quantity of labour as almost exclusively determining the relative value of commodities, I must not be supposed to be inattentive to the different qualities of labour, and the difficulty of comparing an hour's or a day's labour, in one employment, with the same duration of labour in another. The estimation in which different qualities of labour are held, comes soon to be adjusted in the market with sufficient precision for all practical purposes, and depends much on the comparative skill of the labourer, and intensity of the labour performed. The scale, when once formed, is liable to little variation. If a day's labour of a working jeweller be more valuable than a day's labour of a common labourer, it has long ago been adjusted, and placed in its proper position in the scale of value. Wenn ich jedoch von der Arbeit als dem spreche, was letztlich den Wert begründet und davon, dass es fast auschließlich die aufgewandte Menge an Arbeit in Relation zu den Werten der Ware ist, die den Wert bestimmt, so sollte man mir nicht unterstellen, dass ich die unterschiedlichen Qualitäten der Arbeit und die Schwierigkeit eine Arbeitsstunde mit einer anderen zu vergleichen, leugne. Die Wertschätzung, die die unterschiedlichen Qualitäten an Arbeit erfahren, werden bald vom Markt mit für praktische Zwecke hinreichender Bestimmtheit festgelegt und hängen von der relativen Geschicklichkeit des Arbeiters und der Intensität der Arbeit ab. Ist das Verhältnis einmal bestimmt, dann gibt es nur geringfügige Schwankungen. Auch wenn der Arbeitstag eines Juweliers wertvoller ist, als der eines Arbeiters, so wurde doch das Verhältnis schon seit langem bestimmt und in der Skala der Wertigkeit korrekt plaziert.

aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter I, Section II


Zweitens verneint Ricardo, dass die Nachfrage einen Einfluss auf den Wert einer Ware hat. Bei Adam Smith geht das ja, wie wir gesehen haben, etwas durcheinander. Da er einen Marktpreis einführt, der vom natürlichen Preis abweicht, siehe Marktpreis / natürlicher Preis, erkennt er implizit die Bedeutung der Nachfrage für den Wert einer Ware an. Andernfalls könnte es zu solch einer Abweichung nicht kommen.

Nochmal: Zur Bestimmung des natürlichen Preises, des Preises also, bei dem der natürliche Lohn, der natürliche Profit und die natürliche Rente, das kann man auch schlicht als Kosten bezeichnen, gedeckt sind, braucht man keine Nachfrage. Das ist aber nicht notwendigerweise der Preis, der sich am Markt einspielt. Am Markt spielt sich ein Marktpreis ein, der je nach Nachfrage höher oder niedriger als der natürliche Preis ist, wobei eine Tendenz zum Ausgleich besteht, weil Adam Smith unterstellt, dass durch die Zu- und Abwanderung von Produktionfaktoren Unterschiede nivelliert werden. Man muss das verstehen. Das Konzept natürlicher Preis / Marktpreis ist mit der ebenfalls von Adam Smith geäußerten Ansicht, dass der Wert einer Ware allein durch die in ihr verköperte Arbeit determiniert ist, unvereinbar.

Das ist der Grund, warum sich sowohl die Neoliberalen wie auch ihr Gegenspieler, der Marxismus, auf Adam Smith berufen. Der natürliche Preis / Marktpreis impliziert Steuerungsmechanismen und führt zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Die Idee von der akkumulierten Arteit und dem Mehrwert, der durch diese geschaffen wird, führt, über David Ricardo, zum Marxismus.


Bei David Ricardo wird jetzt jeder Einfluss der Nachfrage auf den Wert einer Ware ausgeschlossen. Das hängt schlicht damit zusammen, dass er davon ausgeht, dass die Märkte immer Anbietermärkte sein werden. Die Nachfrage also immer das Angebot übersteigen wird.

Diminish the cost of production of hats, and their price will ultimately fall to their new natural price, although the demand should be doubled, trebled, or quadrupled. Diminish the cost of subsistence of men, by diminishing the natural price of the food and clothing, by which life is sustained, and wages will ultimately fall, notwithstanding that the demand for labourers may very greatly increase. Verringert man die Produktionskosten von Hüten, dann wird ihr Preis letztlich auf den natürlichen Preis fallen, auch wenn sich die Nachfrage verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht. Verringern sich die Lebenserhaltungskosten dadurch, dass der natürliche Preis für Nahrung und Kleidung fällt, die die Lebenserhaltungskosten bestimmen, dann werden die Löhne letztlich fallen, auch wenn die Nachfrage nach Arbeitern noch so sehr angestiegen ist.

aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter XXX

Wie auch Adam Smith operiert er mit dem Begriff "natürlicher" Lohn. Was er darunter versteht, haben wir schon erläutert, siehe Natürlicher Preis <=> Marktpreis.

Was er sagen will in Kürze: Bei David Ricardo bekommen Arbeiter nie mehr als das Existenzminimum. Bekommen sie mehr, vermehren sie sich, was wiederum den Lohn drückt, wodurch sie wiederum wegsterben. Werden Nahrungsmittel also billiger, dann sinkt auch der Lohn, weil die Unternehmen nie mehr bezahlen werden, als den existenzsichernden Lohn. Gleiche Liga bei Einführung kostengünstigerer Produktionsverfahren. In dieser Situation spielt die Nachfrage natürlich keine Rolle, weil jede Nachfrage mit konstantem Lohn befriedigt wird. Für die Hüte gilt das gleiche. Die Konkurrenz wird jeden Gewinn abschmelzen. Die Hüte werden letztlich zum kostendeckenden Preis bezahlt.

Neoklassisch formuliert: David Ricardo geht von einem vollkommen elastischen Arbeitsangebot aus. Zu einem bestimmten Lohn steht eine unendliche Menge an Arbeit zur Verfügung. Er behandelt sozusagen einen Spezialfall.

Vereinfacht ausgedrückt. Aufgrund größerer Nachfrage können die Löhne bei Ricardo nicht steigen, denn das Arbeitsangebot ist so unerschöpflich wie die Nachfrage. Sinken die Kosten aufgrund höherer Produktivität, dann wird zwar mehr verkauft, aber aufgrund der Konkurrenzsituation sinken die Preise, bis sie das Niveau der "natürlichen" Kosten erreicht haben.

Das Problem bei dieser Aussage ist, dass er den Wettbwerb nicht versteht, was für diese Linie, David Ricardo und Karl Marx, typisch ist.

Bei dieser Linie wird die Wirkungsweise der marktwirtschaftlichen Ordnung nicht verstanden. In dem Satz haben wir auch gleichzeitig eine Annahme, die für Karl Marx zentral wird, also das eherne Lohngesetz.

Die Löhne können sich vom Existenzminimum, bei David Ricardo, nicht lösen.

Allerdings bestätigt David Ricardo, ganz gegen seinen Willen, das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Ändern sich die Produktionsverhältnisse bei der Produktion von Hüten, dann werden sich die Hütemacher auf den neuen Preis runterkonkurrieren, auch wenn die Nachfrage konstant bleibt. Zu einem niedrigeren Preis wird es aber auch eine höhere Nachfrage geben, so dass er die Nachfrageseite, ganz im Gegensatz zu dem, was er meint, eigentlich gar nicht eliminiert hat. Die Nachfrage verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht sich, weil der Preis gefallen ist. Er müsste erklären, warum es nichts mit der Nachfrage zu tun hat, wenn die abgesetzte Menge mit sinkendem Preis steigt.

Wir werden das später noch ausführlichst diskutieren.

Die Theorie dieser Traditionslinie, David Ricardo / Karl Marx ist so verkorkst, dass man das Ganze am besten komplett beerdigen würde, das ist praktisch an jeder Stelle falsch. Die zentrale Idee lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen. Fixes Kapital, also Maschinen, Anlagen etc. können alleine keinen Mehrwert schaffen, denn man kann sie nicht auf dem Existenzminimum halten und den Mehrwert abschöpfen, wie man das bei Arbeitern tun kann. In den Maschinen steckt also, nach dieser Logik, immer der Mehrwert, den man vorher den Arbeitern "abgepresst" hat, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Profitrate kann also nur erhöht werden, wenn man mehr Arbeit einsetzt.

Das ist jetzt so aus gefühlten zehntausend Gründen Unsinn. Erstens mal interessiert es volkswirtschaftlich nicht die Bohne, ob Kapital akkumuliert, den Arbeitern abgespresst, gespart oder sonst was wird.

Investitionen kann man über Kredite finanzieren und die Bank interessiert einzig die Frage, ob die Kredite gesichert sind. Den Investor interessiert allein die Frage, ob die Investition rentabel ist.

Ist sie rentabel und kann der Investor Sicherheiten bieten, holt die Bank sich das Geld von, zum Beispiel, der EZB und verleiht es. So wird Geld geschöpft. Wird der Kredit zurückgezahlt, wird es wieder vernichtet. Hier akkumuliert und spart niemand. Eine komplexe Logik hat Akkumulieren und Sparen in einer vollbeschäftigten Wirtschaft, die aber nie vorliegt.

Vereinfacht ausgedrückt. Kapital wird nicht akkumuliert, es wird von der Zentralbank gedruckt. In jeder x beliebigen Menge, wenn es genug Leute gibt, die eine pfiffige Idee haben. Also eine Idee, die so rentabel ist, dass die Kreditschöpfung qua Geldschöpfung anschließend qua Kreditrückzahlung und Geldvernichtung wieder rückgängig gemacht werden kann. Wir kommen bei Schumpeter darauf zurück und dann ausführlichst bei Keynes. Dass Keynes den klasssich / neoklassischen Kapitalmarkt durch den Geldmarkt ersetz hat, ist kein Detail. Es ist von zentraler Bedeutung.

Der zweite Fehler besteht darin, dass in Anlagen und Maschinen eben überhaupt kein Wert gebunden ist. Anlagen und Maschinen sind relativ billig, wenn sie nur nachgebaut werden müssen und irgend jemand weiß, wie man die Teile baut, also kein Geld mehr für Forschung und Entwicklung ausgeben muss.

Bauen die Chinesen eine neue Automobilindustrie auf, dann werden sie in 20 Jahren das machen, wofür Deutschland 200 Jahre brauchte.

Das heißt, das Kapital wird nicht mühsam akkumuliert, es wird schlicht kopiert, denn der Wert ist nicht das verarbeitete Blech, sondern das Wissen und Wissen reproduziert man eben nach der Methode paste and copy für null Euro, wenn Patente und andere Schutzrechte abgelaufen sind, was oft der Fall ist.

Das Kapital steckt in den Köpfen, nicht im Blech.

Steckt das eigentliche Kapital aber nicht im Blech, sondern in den ausgebeuteten Arbeitern in Form von Wissen, dann könnten die auf die Idee kommen, dem Spiel mal ein Ende zu setzen. Sie könnten auf die Bank gehen, nachweisen, dass sie es drauf haben und ihren ehemaligen Arbeitgeber platt machen, weil sie das Geld dann auch bekommen.

Vereinfacht: Nach der Logik von Karl Marx dürften ja gar keine neue Unternehmen entstehen, weil die ja immer bei Null anfangen und folglich gnadenlos chancenlos wären. Die Realität ist aber eine andere. Wir sehen laufend, dass riesige Unternehmen untergehen, weil ihre Innovationskraft erlahmt und völlig ohne Kapital neue entstehen. Zur Gründung eines Unternehmens braucht man Kredit, aber kein Kapital. Der Kredit stammt aber nicht von akkumulierter Arbeit, definitiv nicht, sondern im Zweifelsfalle von der Druckerpresse der Zentralbank.

Karl Marx irrt, weil fixes Kapital zwei Beine hat. Fix am Kapital ist nur die Tatsache, dass es fix wegläuft. Das fixe Kapital ist sozusagen das variabelste überhaupt denkbare Kapital.

Wo er mal den Reichtum gesehen hat, in den Stahlkochern und Kohlegruben, haben wir heute einen Subventionsfall. Der Mehrwert wird qua Steuerngelder vielleicht immer noch agbeschöpft, aber nur um die Kapitalisten zu alimentieren. Die Räder stehen nicht mehr still, wenn der starke Arm des Arbeiters das will, sondern wenn der Steuerzahler sich wehrt gegen die Fehlallokation der Mittel.

Fix wiederum ist das Wissen der dozierenden Ökokaste, denn es ist das einzige Wissen, dass Tausende von Jahren eine Rendite abwirft. In diesem Fall wird die ewige Rente von den Studis bezahlt, die sich den Quark anhören.

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Infos und Anmerkungen:

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Das Buch zur Webseite.

Bestimmung des Wertes von der Angebotsseite oder von der Nachfrageseite?

Adam Smith ist widersprüchlich. Einserseits definiert er den Wert einer Ware allein über die inkorporierte Arbeit, anderseits sieht er die Nachfrage als mitbestimmend für den Preis.

Das ist der Grund, warum sich zwei diametral entgegengesetze Denkrichtungen, der Marxismus und die Anhänger der freien Marktwirtschaft aus ihn berufen.

Ricardo widerlegt die These von der Bedeutungslosigkeit der Nachfrage für den Preis aber gerade nicht. Der verringerte Preis führt zu einer höheren Nachfrage.

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