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1.2.3 Wirkung von Steuern bei Ricardo

Formal ähnelt der Aufbau von On the Principles of Political Economy and Taxation dem Werk von Adam Smith (Wealth of Nations). Teilweise tragen die Kapitel auch die gleichen Überschriften. Inhaltlich unterscheidet es sich dann sehr stark, weil ein kompletter Paradigmenwechsel stattgefunden hat.

David Ricardo ist wohl mehr Thomas Malthus als Adam Smith. Ein zentrales Argument, conditio sine qua non seiner Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung, ist die Vorstellung, dass jeder Produktivitätszuwachs durch die Zunahme der Bevölkerung aufgefressen wird. Die Idee hat er von Malthus.

Die andere Schnapsidee, die vom Sinken der Profitrate aufgrund der immer höheren Kosten, die durch die Verknappung des Nahrungsmittelangebotes entstehen, wodurch die existenzsichernden Löhne steigen und als Folge davon die Profite auf das Kapital sinken, finden wir schon bei Adam Smith schwach angedeutet, aber vermutlich gibt es noch eine weitere, heute unbekannte Quelle dieser Theorie.

Die Akkumulation des Kapitals, das Sinken der Profitrate und das Steigen der Bodenrente sind die wesentlichen Aussagen von David Ricardo, siehe auch David Ricardo.

Diese Aussagen sind mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht vereinbar, siehe Bedeutung der Nachfrage für die Preisbildung, und naheliegenderweise untersucht er auch Steuern nicht unter dem Blickwinkel der Allokationswirkung, sondern unter dem Blickwinkel von deren Auswirkung auf die Akkumulation des Kapitals, was naheliegend ist, denn in seinem Modell spielt die Informationsverarbeitung ohnehin keine Rolle. Wirtschaft ist bei ihm, wie auch in der Neoklassik, siehe vollkommener Markt und im Marxismus ein höchst trivialer Vorgang: Es gibt kein Risiko, keine Unsicherheit, Kapital wird nicht vernichtet. Angezogen von der Rentabilität wie die Himmelskörper von der Gravitationskraft wandern alle Produktionsfaktoren mit schlafwandlerischer Sicherheit in ihre optimale Verwendung.

Die eigentlichen Probleme, die mit der marktwirtschaftlichen Ordnung gelöst werden sollen, hat er schlicht aus seinem Modell hinausexpediert und damit alle Probleme gelöst, zumindest auf dem Papier. Zusammen mit ein paar "Gesetzen", kann er so den Verlauf der Wirtschaft und der Weltgeschichte prognostizieren.

In seiner Welt ist für den Staat weder Platz noch Bedarf. Unternehmer braucht man auch nicht. Während es bei Adam Smith noch qualifizierte und weniger qualifizierte Arbeit gibt und damit auch einen Bedarf an Bildung, sich also die Frage stellt, wer die Ausbildung leistet, von Bildung wollen wir bei Ricardo ja schon gar nicht mehr sprechen, ist das bei Ricardo völlig Banane.

Der Kapitalist setzt Kapital ein, stellt Arbeiter an, die landen aufgrund der Überbevölkerung auf dem gerade noch existenzsichernden Lohn, der Rest geht an den Kapitalisten und wird akkumuliert. Fertig. Dass man für die Aufrechterhaltung seines Systems ein Justizwesen und einen mächtigen Polizeiapparat braucht, der finanziert werden muss, war ihm wohl klar, hat ihn aber nicht veranlasst, ganz im Gegensatz zu Adam Smith, über Staatstätigkeit, nachzudenken. Bei Steuern interessiert ihn weniger, wie sie verwendet werden, als ihre Wirkung auf die Akkumulation des Kapitals (nicht auf die Allokation).

Seine Thesen zur Besteuerung sind nun etwas wirr formuliert. Es ist ein Grundproblem bei der Texterei von Ricardo, dass seine grundsätzlichen Thesen immer im Hintergrund "mitschwingen".

Seine Ansicht über die (Boden)Rente ist aber mal etwas, was sogar richtig ist. Genau genommen nimmt er damit sogar die Produzentenrente und die Konsumentenrente vorweg, siehe kardinale Nutzenmessung. Dass er die Theorie nicht auf jeden Produktionsfaktor erweitert hat, liegt daran, dass er davon ausgeht, dass sich die Profitraten angleichen, also die Herstellungskosten überall in der Wirtschaft gleich sind und es allein beim Boden Unterschiede gibt. Sind die Herstellungskosten gleich, bzw. schießt sofort Kapital ein, wenn sie ungleich sind, entstehen natürlich keine Renten, Unterschied zwischen Marktpreis und jeweiligen Herstellungskosten, denn die Herstellungskosten sind dann immer auf der Höhe des Marktpreises, einen Grenzanbieter gibt es nicht und damit auch keine Produzentenrenten.

Er differenziert jetzt erstmal zwischen einer Grundsteuer, das heißt einer Besteuerung der nackten Fläche und einer Besteuerung der Rente, das heißt, des Ertrages dieser Fläche.

Rente ist hierbei nicht dasselbe wie Ertrag. Der Begriff Rente zielt auf den Unterschied zwischen dem Marktpreis, der durch den unproduktivsten Anbieter bestimmt wird, der aufgrund der Nachfrage noch kostendeckend arbeiten kann und den jeweiligen Produktionskosten der Anderen Anbieter. Vereinfacht: Wir habe eine Stadt, das aus dem Umland mit Kartoffeln versorgt wird. In der Stadt gibt es jetzt einen Einheitspreis für Kartoffeln. Der Anbieter, der in fünf km Entfernung wohnt, hat kaum Transportkosten, der Anbieter, der 100 km entfernt wohnt, hat erhebliche Transportkosten. Der Anbieter in fünf km Entfernung hat also in der Höhe der Transportkosten eine Rente. Mutatis mutandis für alle Branchen. Das Prinzip der Produzentenrente ist immer das gleiche.

Ertrag ist einfach nur Gewinn. De Begriff Rente ist genauer. Was eine Rente ist, muss man verstehen, sonst kann man seinen Ausführungen nicht folgen. Im Grunde gelten aber seine Überlegungen auch für Gewinne im Allgemeinen. Dass es bei David Ricardo keine Gewinne gibt, hat konzeptionelle Gründe. Bei ihm gibt es nur drei Produktionsfaktoren, Arbeit, Kapital und Boden und die werden nach den jeweiligen Faktorpreisen entlohnt. Der Gewinn, siehe Jean Baptiste Say, ist eher ein Unternehmerlohn, beruht auf Leistung. Der Charme bei David Ricardo besteht aber darin, dass keiner eine Leistung erbringen muss. Das Kapital vermehrt sich, wie bei Karl Marx, automatisch und ohne jede unternehmerische Leistung. Man muss nur Schwein genug sein, um die Knete auch einzusacken. Wir erklären das im Kapital über Karl Marx nochmal genauer. Kapitalist ist eine coole Angelegenheit, weil man dafür keinerlei Qualifikationen braucht und eigentlich, wie wir noch sehen werden, auch kein Kapital. Es reicht der Entschluss, Kapitalist zu sein und andere ausbeuten zu wollen.

Mit zunehmender Bevölkerung wird immer mehr Land bewirtschaftet, das heißt konkret, immer ungünstigeres Land. Der Preis, der sich jedoch am Markt bildet, ist ein Marktpreis. Das heißt, dass der Landbesitzer, der den ertragreichsten Boden besitzt, also pro Einheit am billigsten produzieren kann, die höchste Rente erwirtschaftet. Rente ist also ein Erlös, den jemand ohne Leistung erhält. (Weiter muss man verstehen, davon redet auch Adam Smith ständig, dass die Grundbesitzer in England ihr Land nur selten selbst bewirtschaftet haben, sie haben es verpachtet. Der Pächter setzt dann Kapital ein, um das Land zu nutzen.)

A land-tax, levied in proportion to the rent of land, and varying with every variation of rent, is in effect a tax on rent; and as such a tax will not apply to that land which yields no rent, nor to the produce of that capital which is employed on the land with a view to profit merely, and which never pays rent, it will not in any way affect the price of raw produce, but will fall wholly on the landlords. In no respect would such a tax differ from a tax on rent. But if a land-tax be imposed on all cultivated land, however moderate that tax may be, it will be a tax on produce, and will therefore raise the price of produce. If No. 3 be the land last cultivated, although it should pay no rent, it cannot, after the tax, be cultivated, and afford the general rate of profit, unless the price of produce rise to meet the tax. Either capital will be withheld from that employment until the price of corn shall have risen, in consequence of demand, sufficiently to afford the usual profit; or if already employed on such land, it will quit it, to seek a more advantageous employment. The tax cannot be removed to the landlord, for by the supposition he receives no rent. Such a tax may be proportioned to the quality of the land and the abundance of its produce, and then it differs in no respect from tithes; or it may be a fixed tax per acre on all land cultivated, whatever its quality may be.

Eine Grundsteuer, die im Verhältnis zur Rente erhoben wird und sich der Entwicklung der Rente anpasst, ist eigentlich eine Steuer auf die Rente und solch eine Steuer wird weder von dem Land, welches gar keine Rente abwirft, erhoben noch von dem Kapital, welches allein mit der Absicht einen Gewinn zu erzielen dort eingesetzt wird und welches nie eine Rente erwirtschaftet. Sie wird den Preis der Rohprodukte in keiner Weise beeinflussen, sondern ganz von den Landbesitzern gezahlt werden müssen. Eine solche Steuer würde sich von einer Steuer auf die Grundrente in keinster Weise unterscheiden. Würde man jedoch auf alle bewirtschafteten Ländereien eine Grundsteuer erheben, wie bescheiden diese Steuer auch immer sein mag, dann wäre dies eine Steuer auf das Produkt und der Preis dieses Produktes würde folglich ansteigen. Wenn Nummer 3 das letzte bewirtschaftete Land ist, dann würde es zwar keine Rente abwerfen, könnte aber dennoch nicht mehr bewirtschaftet und die allgemein übliche Profitrate erzielen, wenn eine Steuer erhoben würde. Entweder wäre das Kapital daran gehindert dort verwendet zu werden bevor nicht der Getreidepreis, also Konsequenz der Nachfrage, so weit angestiegen ist, bis die Steuer bezahlt werden kann oder, wenn es schon in dieser Art verwendet wird, würde es zurückgezogen werden und einer lukrativeren Verwendung zugeführt werden. Die Steuer kann nicht auf den Landbesitzer (er spricht immer noch von Nummer 3) weitergewälzt werden, weil dieser ja gar keine Rente erhält. Eine solche Steuer kann im Verhältnis zur Qualität des Landes und der Ertragskraft seine Landes erhoben werden. In diesem Fall würde sie sich vom Zehnten in keinster Weise unterscheiden. Sie kann aber auch, völlig unabhängig von der Qualität des Bodens, als fester Betrag pro Morgen Land erhoben werden.

aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Land-Tax

Also: Wir haben Landflächen unterschiedlicher Qualität. Weil man sich das einfacher vorstellen kann, gehen wir von Land aus, das näher oder weiter entfernt von einer Stadt ist. Auf diesen Ländereien werden Nahrungsmittel, zum Beispiel Weizen, angebaut. Innerhalb der Stadt bildet sich nur ein Preis für Weizen. Es ist nun ziemlich klar, dass der Weizen der nur 5 km transportiert werden muss, rentabler ist, als der Weizen, der aus 1000 km Entfernung herangekarrt werden muss.

(Dass das heute nicht mehr stimmt, und Zucker aus Afrika billiger sein kann, also der aus Mecklenburg, vergessen wir jetzt einfach mal. Solange Güter mit Pferdekutschen transportiert werden, stimmt es.)

Während also beim weit entfernten Land der ganze Gewinn durch die Transportkosten aufgefressen wird, kann sich die Agrarfläche 5 km vor der Stadt diese Kosten sparen und erzielt einen höheren Gewinn und zwischen diesen beiden Extremen haben wir dann die ganze Bandbreite in Abhängigkeit von den z.B. Transportkosten. Der Landwirt der nah der Stadt gelegenen Fläche macht das gleiche, wie der Landwirt auf der 1000 km entfernten Fläche und beide setzen auch gleich viel Kapital ein. Trotzdem erwirtschaftet der Landwirt in der Nähe der Stadt mehr. Dieses Mehr, das schlicht der Tatsache geschuldet ist, dass die anderen geographische Nachteile haben, nennt man Rente. Das gleiche kann man natürlich durchdenken für etragreiche und weniger ertragreiche Böden.

Er unterscheidet jetzt zwei Fälle. Der eine Fall ist eine Steuer auf eben diese Rente, zu Deutsch, die Scheine, die der Besitzer des Bodens erhält. Der andere Fall ist eine Steuer auf das Land, völlig unabhängig davon, wo es liegt und völlig unabhängig davon, welche Rente der Besitzer damit erzielt. Eine Steuer auf die Rente, als Prozentsatz, müsste aus der Rente, also vom Bodenbesitzer bezahlt werden. Der Landwirt aus dem 1000 km entfernten Gebiet würde aber gar keine Steuer auf die Rente bezahlen und zwar aus dem schlichten Grund, dass er gar keine Rente erhält (Wir gehen mal davon aus, dass die gesamte Rente durch den Transport aufgefressen wird).

Ein Prozentsatz von Null ist eben nun mal Null. Ganz im Gegensatz zu einer Besteuerung pro Fläche, würde also in diesem Fall dieser Anbieter nicht ausscheiden, weil sich an seiner Situation nichts ändert.

Würde man aber die Fläche besteuern, unabhängig vom Ertrag, müsste er die Steuer entweder auf den Preis weiterwälzen oder den Geschäftsbetrieb einstellen, bzw. irgendwann Insolvenz anmelden. Auf den Preis weiterwälzen kann er aber nicht, weil er dann über dem Marktpreis läge.

(Genau genommen ist es ein bisschen komplizierter, als David Ricardo sich das vorstellt. Ob er weiterwälzen kann und in welchem Umfang, hängt von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Denkbar ist, dass die Leute in der Stadt auf Fleisch verzichten und ihren Getreidekonsum aufrechterhalten, auch wenn der Preis steigt. Wir gehen im folgenden davon aus, dass die Nachfrage elastisch ist, das heißt Preisänderungen eine Mengenänderung nach sich ziehen. Die Grundidee von David Ricardo ist aber korrekt.)

Der springende Punkt ist: Bei einer proportionalen Besteuerung der Rente würde sich die Menge an Getreide nicht ändern, da sich an der Situation des Grenzanbieters, also des Anbieters, der zu einem bestehenden Marktpreis noch anbieten kann, nichts ändert. Der Marktpreis würde sich folglich auch nicht ändern. Der Grenzanbieter zahlt diese Steuer nicht, weil er keine Rente hat.

Der Tatbestand, dass sich an der Angebotsmenge an Getreide nichts ändert, hat natürlich bedauerliche Auswirkungen auf den Landbesitzer 5 km vor der Stadt, der ja tatsächlich eine Rente erzielt und folglich auch Steuern bezahlt. Da sich an der Menge nichts ändert, kann er diese Steuer nicht auf den Preis weiterwälzen, er muss sie also selber tragen, das heißt die Rente nimmt ab.


Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei einer Besteuerung der Fläche. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Der Landwirt der weit entfernten Ländereien wälzt die Steuer weiter auf den Preis. In diesem Fall können auch alle anderen weiterwälzen. Die Menge bleibt zwar gleich, aber zu einem höheren Preis. Möglichkeit Nr.2: Er kann nicht oder nur teilweise weiterwälzen. In diesem Fall müssen manche der entfernten Anbieter ausscheiden, die Menge wird reduziert und der Preis erhöht sich, wenn auch nicht so stark, weil manche Nachfrager ja gerade wegen des erhöhten Preises nicht mehr nachfragen.

Einfacher formuliert. Diese Steuer sind Kosten, die ALLE tragen müssen und da sie alle tragen müssen, können sie weitergewälzt werden.

Auf das in der Landwirtschaft eingesetzte Kapital kann es aus denselben Gründen wie oben nicht weitergewälzt werden. In diesem Fall ändert sich die Rente des Besitzers von Böden 5 km vor der Stadt nicht. Da alle die Steuer weiterwälzen (müssen), kann er sie auch weiterwälzen.

Für Ricardo ist nun aber, da er sich nun mal auf die Akkumulation kapriziert hat, ein anderer Aspekt entscheidend. Eine Besteuerung der Rente, schlägt ja, wie oben beschrieben, nicht auf die Nahrungsmittelpreise durch. Damit sind bei dieser Besteuerung auch die Profite der "Kapitalisten" nicht tangiert. Die "Kapitalisten" müssen soviel Lohn bezahlen, dass das Existenzminimum ihrer Arbeiter gesichert ist, das ist nun mal seine krude Logik. Wenn jetzt aber die Nahrungsmittelpreise steigen, was bei der Besteuerung des Bodens der Fall wäre, nicht aber bei einer Besteuerung der Rente, dann steigen zu Lasten des Kapitalisten auch die Löhne, denn diese müssen steigen, weil ihm sonst seine Arbeiter wegsterben.

Wem das jetzt alles zu kompliziert ist und wer nicht einsieht, was eine Rente ist, kann sich das auch kurz und knackig klar machen. Hat jemand in den Zeiten der großen Winde ein Grundstück geerbt und dieses Grundstück, das in den Zeiten der großen Winde einsam und verlassen vor der Stadt lag, dann aber von der Stadt umschlossen und Bauland wurde, dann erzielt er sowas ähnliches wie eine Rente, einen windfall profit.

An dieser Stelle schlägt er dann echte Kapriolen.

This may be considered, indeed, as the unavoidable disadvantage attending all taxes received and expended by the State. Every new tax becomes a new charge on production, and raises natural price. A portion of the labour of the country which was before at the disposal of the contributor to the tax, is placed at the disposal of the State, and cannot therefore be employed productively. This portion may become so large, that sufficient surplus may not be left to stimulate the exertions of those who usually augment by their savings the capital of the State. Taxation has happily never yet in any free country been carried so far as instantly from year to year to diminish its capital. Such a state of taxation could not be long endured; or if endured, it would be constantly absorbing so much of the annual produce of the country as to occasion the most extensive scene of misery, famine, and depopulation.

Dies kann nun in der Tat als der unvermeidliche Nachteil betrachtet werden, der von allen vom Staat erhobenen und verausgabten Steuern ausgeht. Jede neue Steuer ist eine Last für die Produktion und erhöht die natürlichen Preise. Ein Teil der Arbeit des Landes, das vorher dem Steuerzahler zur Verfügung stand, steht jetzt dem Staat zur Verfügung und kann deshalb nicht produktiv verwendet werden. Dieser Anteil kann so ansteigen, dass der Antrieb zur Betätigung derjenigen, die durch ihre Ersparnisse das Kapital des Staates vergrößern, kein ausreichender Mehrwert mehr verbleibt. Glücklicherweise erreichte in keinem freien Land die Steuer jemals eine solche Höhe, dass das Kapital des Staates verringert wurde. Eine solche Besteuerung könnte auch keinen Bestand haben. Sie würde konstant jährlich soviel des Produktes eine Landes absorbieren, dass das größte Elend, Hunger und Entvölkerung die Konsequenz wäre.

aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Land-Tax

Wir lassen jetzt mal beiseite, dass man auch den Konsum besteuern könnte, so dass die Investitionsquote, wenn wir in der kruden Logik der Klassik bleiben, sogar steigen würde.

Also in seiner verrückten Welt, geht die Steuer ja nicht zu Lasten des Steuerzahlers allgemein, sondern zu Lasten entweder der Grundbesitzer oder der "Kapitalisten", bei den Arbeitern ist nix mehr zu holen.

Merkwürdig ist auch die Aussage, innerhalb seines skurrilen Weltbildes, dass staatliche Tätigkeit nie produktiv ist. Für jemanden, für den die Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung bei der Informationsverarbeitung völlig irrelevant ist, der von bekannten und überall gleichen Profitraten ausgeht, für den Unterschiede in der Produktivität zwischen den einzelnen Unternehmen nicht existieren, die Nachfrage langfristig keine Bedeutung hat für die Preise und die Preise nicht als Knappheitsignale versteht, der kann auch gleich, wie sein Nachfolger Karl Marx das ja getan hat, die gesamte Wirtschaft im Fünfjahresplan organisieren.

An der Effizienz staatlichen Handelns kann man zweifeln, der Autor hat das ausgiebig getan und wird das noch ausgiebig tun. Aber alles mit Augenmaß. Mit der Aussage, dass staatliche Aktivität prinzipiell und immer rein konsumtiv ist, schießt er dann über das Ziel hinaus. Der Typ ist überhaupt ein bisschen verdreht.

Ob in seiner Welt eine Zunahme der Bevölkerung ein erfreulicher Umstand ist, darf man bezweifeln. Erfreulich ist das höchstens für die "Kapitalisten". Zwar sinkt deren Profitrate zu Gunsten der Rente, aber das Vermögen steigt.

Des weiteren fehlt in seiner Theorie das Moment der Leistung. Bei Adam Smith ist die marktwirtschaftliche Ordnung noch insofern geerdet, als den Wirtschaftssubjekten eine Leistung abverlangt wird. Sie müssen Knappheitspverhältnisse beseitigen. Bei Ricardo haben wir dann tatsächlich Kapitalismus. Kapital blubbert mühelos in die rentabelste Verwendung und wirft Profite ab. Ricardo sieht keinerlei Veranlassung, dieses bedingungslose Grundeinkommen irgendwie zu rechtfertigen.

Das Problem ist, dass sich in einem demokratischen Entscheidungsprozess eine ungleiche Verteilung nur durchsetzen wird, wenn diese ungleiche Verteilung gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist, der ungleichen Verteilung also eine Leistung entgegensteht, die gesamtwirtschaftlich notwendig ist. Blubbert aber Kapital wie von Geisterhand bewegt und mühelos in die rentabelste Verwendung, dann kann man es auch vergesellschaften. Die marktwirtschaftliche Ordnung, noch mehr die soziale Marktwirtschaft, ist ein Kompromiss zwischen Anreiz zur Leistung und Effizienz und gerechter Verteilung. Wenn es aber keines Anreizes zur Leistung bedarf, weil das Kapital von alleine in die rentabelste Verwendung fließt, dann bedarf es auch keines Kompromisses. Wenn Leistung keine Rolle spielt, dann ist gleiches Einkommen für alle die beste und gerechteste Lösung.

Das gleiche gilt natürlich für die Neoklassik in der vereinfachten Variante, die wir in den Lehrbüchern finden. In allen mathematischen Modellierungen streben die ökonomischen Größen, ohne dass hierfür irgend jemand etwas tun müsste, hin zu einem Gleichgewicht. Einzige Bedingung: Niemand interveniert. Ob also das Vermögen im Privatbesitz ist oder in staatlicher Hand ist in der Neoklassik wie auch bei Karl Marx völlig egal. Wichtig ist nur, dass niemand etwas tut und die Marktkräfte, die völlig autonom sind, nicht durch unternehmerisches Handeln an ihrer Entfaltung gehindert werden. Nota bene: Der Unternehmer ist ein Störfaktor, denn die Marktkräfte bedürfen seiner nicht.

Die Formulierung mag überspitzt sein, das Problem ist höchst real. Solange Anpassungsprozesse und Entwicklungen nur höchst vage beschrieben werden, keine Angaben gemacht werden können über die Dauer der Anpassungsprozesse, das Niveau, auf dem sich Gleichgewichte einspielen, über die Ursachen, die die Effekte hervorbringen, sind die Modelle unbrauchbar. Modelle die höchst allgemein Tendenzen beschreiben, die immer gelten, braucht kein Mensch. Die vermeintliche Stärke der Vwl, ihre universal geltenden ökonomischen Gesetze, sind ihre Schwäche, denn ein Gesetz, das höchst unterschiedliche Situationen erklärt, ist offensichtlich so trivial, dass es mit der Wirklichkeit gar nicht in Konflikt geraten kann.

Vermutlich wird man aber auch einen enormen Polizeiapparat brauchen, der diese ungleiche Verteilung des Vermögens schützen muss. Die etwas verquaste Sprache Ricardos können wir hierbei hinnehmen, denn die Lehre ist ohnehin in einem demokratischen Staat untauglich, von daher ist es auch egal, ob das Geblubbere jemand versteht oder nicht.

Da sie quasi die Verelendung der Massen als alternativlos ansieht, würden eben diese Massen in einer Demokratie diese Ideologie abwählen. Sie hat also keine Chance, sich politisch durchzusetzen, wenn jeder Kopf eine Stimme hat. Es ist von daher gleichgültig, ob sie von den Massen verstanden wird oder nicht, da in beiden Fällen keine Chance auf Realisierung besteht, siehe auch Präliminarien.

Interessant ist aber die Überlegung mit der Rente. Steuern auf Gewinne, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Einkommen aus selbständiger / gewerblicher Tätigkeit sind teilweise, da wo sie das Resultat einer im Vergleich zu den Mitbewerbern höheren Produktivität sind, Steuern auf die Rente, Rente jetzt definiert im Sinne von Alfred Marshall, und können folglich nicht auf den Endverbraucher umgewälzt werden. Große Handelsketten z.B. im Bereich Elektronik / Elektrogeräte sind in Bezug auf Einkauf, Verwaltungskosten, Logistik Einzelhändlern überlegen. Steuern auf deren Gewinne können aber nicht auf den Preis umgelegt werden, denn dann würden sie genau diesen Wettberbsvorteil wieder verlieren. Sie müssen aus der Rente bezahlt werden.

Komisch ist bei Ricardo, dass er aufgrund der steigenden Bodenrente zu Lasten des Profits der Kapitalisten, eine sich quasi gesetzesmäßig vollziehende Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung abgibt. Die sehr naheliegende Frage ist doch, warum die Kapitalisten nicht einfach den Boden kaufen. In diesem Falle wären sie immer auf der Gewinnerseite.

Ähnlich argumentiert er dann auch bei einer Steuer auf den Lohn.

Taxes on wages will raise wages, and therefore will diminish the rate of the profits of stock. We have already seen that a tax on necessaries will raise their prices, and will be followed by a rise of wages. The only difference between a tax on necessaries, and a tax on wages is, that the former will necessarily be accompanied by a rise in the price of necessaries, but the latter will not; towards a tax on wages, consequently, neither the stock-holder, the landlord, nor any other class but the employers of labour will contribute. A tax on wages is wholly a tax on profits, a tax on necessaries is partly a tax on profits, and partly a tax on rich consumers. The ultimate effects which will result from such taxes then, are precisely the same as those which result from a direct tax on profits.

Eine Steuer auf Löhne führt zu einer Erhöhung der Löhne und wird somit die Profitrate des Kapitals verringern. Wir haben bereits gesehen, dass eine Steuer auf Güter des täglichen Bedarfs deren Preise wird steigen lassen und so zu einer Erhöhung der Löhne führen wird. Der einzige Unterschied zwischen einer Steuer auf Waren des täglichen Bedarf und einer Steuer auf Löhne besteht darin, dass erstere mit einer Erhöhung der Preise der Waren des lebensnotwendigen Bedarf verbunden ist, letztere jedoch nicht. Eine Steuer auf Löhne wird infolgedessen weder die Besitzer des Kapitals im Allgemeinen, noch die Landbesitzer, noch irgendeine andere Klasse treffen. Sie wird allein von denjenigen zu tragen sein, die Arbeiter beschäftigen. Eine Steuer auf die Löhne ist vollumfänglich eine Steuer auf den Profit, eine Steuer auf Konsumgüter ist zum Teil eine Steuer auf Profite, teilweise aber auch eine Steuer auf den Konsum der Reichen. Letztendlich ist der Effekt einer solchen Steuer der Gleiche, wie eine direkte Besteuerung der Profite.

aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Taxes on wages

Die Logik ist immer die Gleiche. Er geht davon aus, dass die Arbeiter nur einen existensichernden Lohn erhalten. Kommt auf diesen eine Steuer, würden dem Unternehmer seine Arbeiter wegsterben, folglich muss er den Lohn um die Steuer erhöhen, so dass sie nach Zahlung der Steuern auf demselben Niveau sind wie vorher. Wenn er ihnen aber einen höheren Lohn bezahlen muss, dann sinken seine Profite, folglich wirkt eine Steuer auf die Löhne genau so, wie eine Besteuerung der Profite.

Der einzige Unterschied im Vergleich zu einer Besteuerung von Waren wiederum besteht darin, dass Konsumgüter auch von Leuten konsumiert werden, die schlicht gar keine Arbeiter beschäftigen, dann hat das natürlich auch keine Auswirkungen auf die Profite. Luxusgüter sieht er in diesem Zusammenhang als besonders günstig, da diese, in seiner Welt, nur von Leuten konsumiert werden, die nicht arbeiten, als von Leuten, die nur von Kapital oder Boden leben.

Liegen die Löhne aber über dem existenzsichernden Niveau, wird seine Argumentation komplizierter. Wir haben dann für bestimmte Arbeiten einen Durchschnittlohn, das heißt manche Leute würde auch für weniger arbeiten. Man kann sich dann vorstellen, dass die Grenzanbieter von Arbeit ihre Arbeit nicht mehr anbieten, also weniger Arbeit angeboten wird, der Preis der Arbeit also steigt. Teilweise wäre also unter diesen Bedingungen eine Überwälzung der Steuer möglich, wenn das Arbeitsangebot abnimmt.

Immerhin bleibt sich Ricardo treu. Normalerweise würde man ja Steuern unter Allokationswirkungen betrachten, siehe Allokationswirkung von Steuern und Zöllen, dies tut Adam Smith. Da aber bei ihm die Nachfrage keine Rolle spielt ist die Allokation eh egal. Ihn interessiert allein die Wirkung auf die Akkumulation des Kapitals. Der Typ ist vollkommen gaga.

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Infos und Anmerkungen:

ES        DE

Das Buch zur Webseite.

Auswirkungen von Steuern auf die Profitrate

David Ricardo betrachtet Steuern ausschließlich im Hinblick auf den Profit. Steuern auf die Bodenrente, Löhne, Grundnahrungs-
mittel lehnt er ab, weil dies die Profite mindert.

Profite rechtfertigt er damit, dass dies den gesamgesellschaftlichen Wohlstand steigere, obwohl jeder Zuwachs durch eine Bevölkerungszunahme aufgezehrt wird.

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