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1.2.1 Die Journaille und die Volkswirtschaftslehre

Bislang, ein Zustand der zu ändern ist und der sich auch ändert, galt die Journaille, also das Mischwesen aus Journalist und Canaille, als Mittler zwischen Politik und der Plebs.

Die Plebs, die man auch gerne als Schwarm bezeichnet, vor allem dann, wenn sie sich im Internet organisiert, durfte zwar mit der kruden Schwarmlogik, so wie sich Marktwirtschaftler das eben idealtypisch vorstellen und wie es auch tatsächlich funktioniert, die Wirtschaft in Schwung halten, also da wo die Euros verdient wurden, traute man dem Schwarm effiziente Entscheidungsfindungsprozesse durchaus zu, aber eine fundierte Meinung zu wirtschaftspolitischen Fragen traute man dem Schwarm nicht zu, hier durfte man nur alle paar Jahre über ein äußerst schwammiges und konturloses Bündel an Alternativen abstimmen und die Fakten, die eine eingehende Prüfung dieser Alternativen erlaubt hätten, wurden gleich zweimal gefiltert.

Zum einen filtert natürlich die Bürokratie selbst, denn diese ist keineswegs der desinteressierte Diener des Staates, sie verfolgt Eigeninteressen. Witzig auf den Punkt gebracht wird das Problem durch das Parkinsonsche Gesetz. Wir werden das Problemm immer mal wieder mit plastischen Beispielen illustrieren.

Zum zweiten filtert die Journaille, indem sie die ohnehin spärlichen Fakten nochmal filtert und "interpretiert".

Zunehmend wird die Journaille zu einem sich selbst referenzierenden System. Die Presse berichtet nicht mehr darüber, was in der Realität geschieht, sondern wie in der letzten Talkshow über die Realität debatiert wurde. Genuine Recherchen sind gar nicht mehr nötig.

Wir haben also für die Demokratie gleich zwei Probleme. Das eine sollte ein Thema der Volkswirtschaft sein, auch wenn es dies nicht ist, und das andere ein Thema für die Gesetzgebung, was es zunehmend wird.

Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz ist hier der erste Schritt in die richtige Richtung. Dieses erlaubt es, die Bürokratie dazu zu zwingen, die relevanten Informationen rauszurücken, auch wenn sie das aktuell nur widerwillig tut. Die Journaille allerdings bleibt hier klassisch, wandert mit ruhig festem Tritt ihrem Untergang entgegen und käut die Informationen wieder, die man problemlos erhalten kann. Aber nur mit gut recherchierten Informationen wird man langfristig Geld verdienen. Mit Informationen, die überall erhältlich sind, kann man kein Geld verdienen und es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass es genau die Informationen sind, die irgendjemand nicht veröffentlicht sehen will, die besonders interessant sind.

Auch dies kein theoretisches Szenario, sondern ein höchst realistisches. Eingeklemmt zwischen spezialisierten Webportalen (Immobilien, Autos, Job) für eine bestimmte Kategorie von Anzeigen, effizienteren Werbeträgern (adsense), sinkenden Auflagen aufgrund schwachen Contents, helfen auch keine Bilder mehr, denn BILD ist jetzt im Netz, überall. An jeder Ecke.

In der stoischen Ruhe, mit der man das Ende erwartet, kann man erahnen, wie sie sich sah. Die Weigerung Links zu setzen, die die nötigen Hintergrundinformationen liefern, etwa zu Wikipedia, offenbart den verletzten Stolz des großen Welterklärers, der seiner Rolle verlustig gegangen ist.

Man sollte meinen, dass Wirtschaftswissenschaftler verstehen, dass sich Unternehmen und Menschen veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen. Dem ist aber nicht so. Denn wenn Wirtschaftswissenschaftler überhaupt mit der Plebs kommunizieren, dann über den one way Kanal Zeitung, wo es obendrein auch noch ein paar Kröten zu verdienen gibt.

Das Schauspiel hat etwas von einem Treffen abgehalfterter Könige, die sich im Buckingham Palast versammeln, um sich gegenseitig ihrer Würde zu versichern, was nur solange gelingen kann, auch das gab es schon in der Geschichte, wie die Plebs ihnen nicht die Rübe abmontiert.

Diese beiden, in ihrer Würde tief Verletzten, die Parteien und die Politik, werden also wohl kaum das tun, was sowohl der Volkswirtschaft wie auch der Demokratie gut täte.

Fakten sauber aufbereiten und darstellen und diese dann interpretieren. Die Ökokaste wiederum, die eigentlich für Sammeln, Aufbereitung und Interpretation von ökonomisch relevanten Sachverhalten zuständig wäre, schafft es nicht mal, ihre Inhalte für das Netz aufzubereiten.

Das bringt offensichtlich kein Prestige und ist auch nicht sonderlich lukrativ. Die universitäre Karriere, die sie alle aus Mangel an Alternativen anstreben, hängt nun mal ab von pseudowissenschaftlichen Geblubbere in irgendwelchen "wissenschaftlichen" Fachzeitschriften und weniger von konkreter Leistung und innovativen Ideen. Die Anreize des Systems verleiten zur Fehlallokation der Ressourcen. Dem Volkswirt sollte das Problem bekannt sein, aber zwischen Theorie und praktischer Anwendung liegen dann Welten, wenn die Erkenntnisse, die aus der Theorie zu ziehen sind, den individuellen Interessen entgegenstehen.

Zu erwarten, dass sie sich an Projekten wie z.B. Wikipedia beteiligen, ist so ähnlich, wie von Erick Honecker zu erwarten, dass er die freie Marktwirtschaft akzeptiert.

Das bringt nur Stress. Würde die Journaille verlinken, gäbe sie zu erkennen, dass das Internet keine Zeitung ist, also nichts, wo man das Informationsmonopol aufrecht erhalten kann. Alternativ könnte die Journaille natürlich selbst einen Datenbestand wie Wikipedia aufbauen, aber das ist anstrengend und erfordert qualifiziertes Personal.

Die Journaille fällt im Übrigen auch als Anschauungsbeispiel für populäre Irrtümer in Zukunft flach. Durch das Leistungsschutzrecht können Zeitungen nicht mehr zitiert werden. Was wirklich bedauerlich ist. Denn zur Illustrierung populärer Irrtümer sind Zeitungen durchaus geeignet.

Der Einwand mancher Leser ist vorhersebar: "Jede Zeitung hat doch einen "Wirtschaftsteil!" Das mag schon sein, aber der Leser kann sich dann auch fragen, ob dieser Wirtschaftsteil soviel Hintergrundinformationen liefert, dass man sich ein eigenes Urteil bilden kann. Wir werden im Folgenden öfter mal auf tagespolitische Themen eingehen. Dann wird klarer, was wir meinen. Im übrigen: Wir schreiben das Jahr 2012. Alle tagesaktuellen Themen, die hier einfließen, beziehen sich auf dieses Jahr. Der Autor geht davon aus, dass man das auch noch im Jahre 2040 nachvollziehen kann, denn die Probleme sind doch immer ähnlich.


Infos und Anmerkungen:

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Das Buch zur Webseite.

 

- Das Problem der VWL ist nicht die Theorie, sondern die Daten und Fakten.

- Die Journaille optimiert ihren Gewinn durch die Verbreitung billig produzierbarer Nachrichten an ein möglichst großes Publikum, also mit Nachrichten, die für viele eine geringe Relevanz haben.

- Durch das Internet wird sich der Markt aufsplitten. Spezialisierte, detaillierte Nachrichten für ein begrenztes Publikum

- Das bewirkt, zusammen mit anderen Entwicklungen, dass die Journaille an Relevanz verliert und damit auch der Beitrag der Ökonomen für die öffentliche Debatte.

 

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