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2.2.4 Warum gibt es hier Kapitel zur Philosophie / Soziologie?

Das bislang Dargestellte reicht, um zu erkennen, dass die VWL an den Rändern immer ausfranst. Das universitäre Geblubbere, dass irgendwelche Wissenschaften Hilfswissenschaften der VWL sind und das Geblubbere über nomothetische Wissenschaften (die nach Gesetzen suchen) und idiographischen (die das individuelle Phänomen in seiner Einzigartigkeit beschreiben wollen) und dergleichen Hokuspokus bringt da nix.

Wir werden noch sehen, im Kapitel Neoklassik, dass alle Autoren, die man unter diesem Begriff subsumiert, bestrebt waren, wirtschaftliche Zusammenhänge von anderen sozialen Zusammenhängen zu isolieren, also zumindest darüber nachdachten, dass Parameter, die außerhalb des rein Ökonomischen liegen, die Ökonomie beeinflussen. Dieses Bewußtsein ist irgendwann verloren gegangen.

Der Fehler der Neoklassik und der mathematischen Modellierung im Allgemeinen besteht darin, dass zusammengebracht werden soll, was nun mal nicht zusammen passt. Unter mathematischer Modellierung versteht die Neoklassik erstmal Algebra und Gleichungssysteme. Gleichungssysteme ermöglichen es, von Bekanntem auf Unbekanntes zu schließen, was wiederum eine Stabilität innerhalb der bekannten Parameter voraussetzt. Ökonomische Prozesse sollen damit präzise beschreibbar und prognostizierbar sein.

Damit wird vom entscheidenden Problem, das die marktwirtschaftliche Ordnung eher lösen kann als planwirtschaftliche Ordnungen, abstrahiert. Ließen sich wirtschaftliche Prozesse präzise beschreiben und prognostizieren, dann sollte man sie präzise beschreiben und prognostizieren. Was planbar ist, sollte geplant werden.

Wenn aber etwas nicht planbar ist, und dies trifft auf wirtschaftliche Prozesse zu, dann brauchen wir ein System, mit dem Unsicherheit am besten beherrschbar ist und das ist die dezentrale Informationsverarbeitung über Preise. Negiert man das prinzipielle Problem wirtschaftlicher Prozesse, löst die marktwirtschaftliche Ordnung ein Problem, das nicht existiert.

Die mathematische Modellierung impliziert eine ganz fundamentale Annahme. Die Annahme nämlich, dass wirtschaftliche Prozesse prognostizierbar und berechenbar sind. Sie folgt also dem gleichen Ansatz, den wir aus der Planwirtschaft kennen und der bereits grandios gescheitert ist.

Der sinnreichste Ansatz stammt hierbei von Alfred Marshall, siehe Methodische Grundlagen. Für Alfred Marshall ist ökonomisches Verhalten dadurch bestimmt, dass es in Geld messbar ist, wobei Alfred Marshall, im Gegensatz zu den Tiefliegern der Grenznutzenschulen aus Lausanne und Wien, den Einfluss nichtökonomischer Faktoren, die wirtschaftliche Prozesse letztlich determinieren, nicht verneinte.

Ein ähnliches Problem haben wir auch, wie wir im Verlaufe unserer Überlegungen immer wieder sehen werden, mit der Anwendung statistischer Methoden. Statistische Methoden messen Effekte, die eine kausale Beziehung vermuten lassen, aber nichtssagend sind, solange diese kausalen Beziehungen nicht bekannt sind. Das Problem bei der Anwendung solcher Methoden besteht darin, dass ein statistischer Zusammenhang zwischen Effekten den Rang einer kausalen Beziehung erhält.

Eine anderen Weg geht Keynes, siehe Keynes. Er definiert expressis verbis alles, was er erstmal als unveränderlich ansieht. Was innerhalb seines Theoriegebäudes eine plausible Annahme ist, wie wir noch sehen werden.

Ob allerdings die Darstellung der Ökonomie als geschlossenes System eine gute Idee ist, kann man bezweifeln.

Die VWL hat starke Verbindungen zur Politikwissenschaft (vielleicht hätte es auch Hayek gut getan, da mal ein paar Vorlesungen zu hören), denn die Politik kann, solange die Plebs die Politiker nicht tot schlägt, jedes ökonomische Ergebnis und jeden ökonomischen Prozess ganz nach Geschmack verändern. Der Adressat seines Minnesangs auf die Freiheit wäre also naheliegenderweise die Plebs gewesen, denn die Plebs wählt die Politiker. Normalerweise. Bei Hayek ist das nicht so sicher.

Was aber bei den Minnesängern der Freiheit wirklich überrascht, es gibt da ohne Ende Vereine, www.hayek.de, www.walter-eucken-institut.de, www.liberalismus-portal.de, www.freiheit.org, etc.etc. also wirklich ohne Ende, ist das. Die allermeisten Minnesänger der Freiheit gehören der dozierenden Ökokaste an, sind also verbeamtet und bei Beamten denkt man an vieles, aber nicht gerade an Freiheitskämpfer. Also die Sicherheiten, die ein alimentierender Staat bietet, nimmt man schon, da denkt man dann eher praktisch. Naheliegender wäre es aber gewesen, ein Unternehmen zu gründen. Also Freiheit pur, ohne Netz. Naheliegender wäre auch eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft gewesen. Wir schließen daraus, dass sich die Freiheit besonders gut vom Sofa aus betrachten lässt.

Die VWL hat naheliegenderweise ein Schnittstelle zu Jura, denn setzt der Staat eine wirtschaftliche Ordnung um, dann wird er diese in Gesetze gießen und Juristen haben keine Ahnung von Wirtschaft, wie ja durch Einzelfälle, wie die digitale Signatur bei elektronisch übermittelten Rechnungen oder die Verpflichtung der Kapitalgesellschaften, den Jahresabschluss beim e-bundesanzeiger zu veröffentlichen, dokumentiert ist. Das ist das nächste Kuriosum; es gibt ja unendlich viele Kuriositäten.

Der Ordoliberalismus, also z.B. Walter Eucken, beschäftigt sich ja mit vielem, Hegel inklusive. Der Ordoliberalismus will dem Laissez-Faire Kapitalismus eine Schranke setzen, weil eben dieser dazu neigt, langfristig das zentrale Moment marktwirtschaftlicher Ordnungen, also den Wettbewerb, außer Kraft zu setzen. Naheliegenderweise wird diese Schranke dann durch konkrete Gesetze gesetzt. Es wäre von daher naheliegend, dass Walter Eucken ein paar Takte zu Jura und Juristen sagt, die müssen ja seinen Ansatz verstehen, wenn sie selbigen in Gesetze gießen sollen. Aber Pustekuchen. Er beschäftigt sich ausgiebig mit Hegel, nicht aber mit den Niederungen des Alltags.

Schnittstellen gibt es im Übrigen üppig, selbst bei den Meistern der mathematischen Modellierung, den Neoklassikern. Vilfredo Pareto hat sich die letzten 25 Jahre seine Lebens nur noch der Soziologie verschrieben, beschreibt die Psychologie sogar als die Grundlage aller Sozialwissenschaften. Darauf kommen wir noch zurück.

Der typische VWLer ist nun ein Milchbubi, die Schnittstelle zur Jura ist das, was ihm am meisten einleuchtet und hier kann er sogar meist Credit Points erwerben, die auf das VWL Studium angerechnet werden. Eine psychologische Frage wäre dann, warum die Schnittstellen zur Soziologie abgeschafft wurden.

Eigentlich geht es der hehren Wissenschaft ja nur um Wissenschaft, die Beraufsaussichten spielen ja erstmal keine Rolle, betonen zumindest die Professoren, wenn sie auf dieses Thema angesprochen werden. Die Wahrheit ist, dass sie aufgrund mangelnder Berufserfahrung auf das Berufsleben auch gar nicht vorbereiten können. Von diesem haben sie nämlich schlicht keine Ahnung.

Die Eliminierung der Soziologie könnte also auch psychologische Gründe haben. Wir wissen ja wenig, über die Psyche der Ökokaste, obwohl die Psyche für das Fach konstitutiv sein kann.

Philosophie ist nun für den VWLer die endgültige NO GO AREA. Was problematisch ist. Erstens ist die Volkswirtschaft historisch eng mit der Philosophie verbunden, David Hume, John Stuart Mill, Herbert Spencer, William Stanley Jevons, um mal einige bekannte Ökonomen zu nennen, waren bedeutende Ökonomen und Philosophen, zweitens bewegen sich viele öffentlich geführte Diskussionen, wie etwa der Positivismusstreit, im Grenzbereich zwischen Philosophie und Ökonomie und drittens trifft der Volkswirt, wenn er nicht in irgendeiner staatlich subventionierten "Forschungseinrichtung" sein Dasein fristet, sondern mit der Öffentlichkeit kommuniziert, auf ein diffuses Gemenggelage aus philosophischen und ökonomischen Themen: Bedeutung des materiellen Wohlstands, Gerechtigkeit, moralische Werte etc..

Europa und der Euro wird eben nicht nur ökonomisch gesehen, sondern auch politisch und philosophisch. Eine Diskussion über Wachstum ist eben auch eine Diskussion über gesamtgesellschaftliche und individuelle Ziele.

Völlig wild ist das dann bei der Bildungpolitik. Diese hat ökonomische Aspekte. Zum einen kann man sie sehr ineffizient produzieren, das heutige System der universitären Wissensvermittlung orientiert sich ja praktisch an den Universitäten des frühen Mittelalters, wo die Vorlesung die einzige Möglichkeit der Wissensvermittlung war, weil Bücher nicht vorhanden waren, zum anderen, weil für die wirtschaftliche Entwicklung die Ausbildung der Bevölkerung ein zentraler Faktor ist.

Andererseits verfolgt sie aber auch nichtökonomische Ziele, die man aber wiederum ökonomisch effizient verfolgen kann. Bei der schulischen Bildung geht gerade nicht um Ausbildung. Hier muss sich die Gesellschaft darüber Gedanken machen, was sie überhaupt vermitteln will. Angefangen bei höchst trivialen Fragen, Französisch oder Russisch bis zu komplexeren Fragen: Wieviel Geisteswissenschaften und wieviel Naturwissenschaften und was will man überhaupt erreichen.

Den Universitäten ist es hierbei egal, wer es finanziert, ob es zusätzliche Studienegebühren gibt, es vollkommen über Steuern finanziert wird oder vollkommen privat. Wichtig ist nur, dass viel Knete fließt. Diese Frage ist spannender, als die Frage nach den didaktischen Fähigkeiten des dort an- und hingestellten Personals. Wir kommen darauf zurück, siehe Bildung.


Wirtschaft ist so eng mit soziologischen, philosophischen, psychologischen, juristischen, technologischen und politischen Fragestellungen verschränkt, dass der Erkenntniswert einer rein ökonomischen Betrachtung, was immer das eigentlich bedeuten mag, klar ist das nur bei der Wirtschaft als akademischem Fach, dicht bei Null liegt. Dieses Problem wird uns die ganze Zeit beschäftigen. Analysiert die Volkswirtschaft lediglich die Resultate eines Phänomens oder das Phänomen selber?

Die Volkswirtschaftslehre hat einen bestimmten Kanon an Parametern, Zins, Geld, Grenzkosten, Grenzerträge, Preise, sparen, investieren etc.. deren Beziehungen sie untersucht. Das vermittelt den Eindruck eines theoretisch abgeschlossenen Faches. Zwischen diesen Beziehungen lassen sich jetzt natürlich Beziehungen herstellen, die mehr oder weniger logisch schlüssig und plausibel sind. Allerdings ist jeder dieser Parameter der Effekt einer Ursache, aber nicht die Ursache selbst. Cum grano salis könnte man sagen, dass die Volkswirtschaftlehre lediglich Beziehungen zwischen Effekten untersucht, aber keine kausalen Beziehungen.

Die berühmte ceteris paribus Klausel, alles, was nicht Bestandteil des Modells ist, wird als konstant angenommen, ist nicht hilfreich, weil damit vom Kern marktwirtschaftlicher Ordnungen, abstrahiert wird. Richtig wäre lediglich, dass in sehr kurzen Zeiträumen sich nichts ändert, was nicht Bestandteil des Modells ist. Dieser sehr kurzen Zeiträume interessieren aber nicht. Wir kommen darauf, unter anderem bei Schumpeter, siehe dynamische Wirtschaft, zurück.

Die Argumentation, dass wirtschaftliche Effekte auch isoliert betrachtet werden können (teilweise mag das ja stimmen), da eine rein ökonomischen Betrachtung lediglich das analysiert, was z.B. ohne staatliche Intervention zustände käme, wobei es dann dem Staat überlassen bleibt, das rein ökonomische Ergebnis nachträglich zu verändern, sticht nicht wirklich, weil außerökonomische Variablen schon im Herzen des Systems sitzen.

Eine Kurve, die das Volkseinkommen in Abhängigkeit vom Faktor Arbeit abbildet, ist schnell gemalt, allerdings nicht interessant. Denn weit interessanter als der durch diese Kurve zum Ausdruck kommende abnehmende Grenzertrag des Faktors Arbeit, ist die absolute Höhe dieser Kurve.

Der Verlauf dieser Kurve, charakterisiert durch den abnehmenden Grenzertrag, ist, zumindest kurzfristig, richtig für Bolivien und Deutschland, allerdings gibt es bedeutende Unterschiede in der Höhe und die Höhe ist das, was brennend interessiert, das ist nämlich letztlich der Schotter, der auf dem Bankkonto landet. Wer will, kann es so sehen. Ob der Grenzertrag des zuletzt eingesetzten Arbeiters 80 Euro in der Stunde beträgt oder 50 Cent, ist der spannende Zusammenhang. Ob dieser Grenzertrag fällt oder konstant bleibt, ist eigentlich ziemlich egal.

Die Modelle der VWL stellen relative Beziehungen zwischen einigen wenigen Variablen her, ohne dass hierbei qualitative Aussagen über diese Beziehungen gemacht werden und wenn, dann nur als ex post Betrachtung.

Will man qualitative Beziehungen ermitteln, müssten diese Beziehungen mit Variablen erklärt werden, die außerhalb der VWL liegen: Bildungsniveau, Einstellung zur Arbeit, Bedeutung, die die Gesellschaft allgemein wirtschaftlichem Wachstum beimisst etc. etc..

Wer den heroischen Entschluss gefasst hat, die VWL mit der BWL zu verbinden, ist unklar, war aber schon im Diplomstudiengang so. Neu am Bachelor / Masterstudiengang ist lediglich, dass BWL die einzige verbleibende Schnittstelle ist, die Schnittstelle zu jeder anderen Wissenschaft wurde gekappt, was ja früher nicht der Fall war, da konnte man, so die Uni das anbot, alles mögliche kombinieren, zum Beispiel, in Berlin, VWL und Spanisch.

Was VWL als akademisches Fach mit einem Kaufmann zu tun hat, erschließt sich dem Autor nun gar nicht, sieht man mal von der Tatsache ab, dass einzelne Kurven aus der Mikroökonomie auch in BWL wieder auftauchen. Die nun fest establierte Verbindung sagt viel über die Leute, die die Lehrpläne stricken, aber nur wenig über das Erkenntnisobjekt der VWL.

Umgekehrt, umgekehrt. Wieso ein Kaufmann, also als Kaufmann, nicht als Bürger der Demokratie, etwas über das Harrod-Domar Gleichgewicht wissen muss, erschließt sich einem so spontan erstmal auch nicht. Sinnvollerweise erreicht er aber in der Buchhaltung mit angeschlossenem Handels- und Steuerrecht das gleiche Niveau wie ein Industriekaufmann, und das Niveau ist hoch, die hat der Autor mal unterrichtet, das ist mit Kaufmann für Bürokommunikation nicht zu vergleichen.

Wenn er dann noch Ahnung hat von SAP und Datenbanken, ist ihm mehr geholfen, als mit der Leontief Inversen. Überhaupt dürfte es mehr Schnittstellen, also aus der Sicht des Arbeitsmarktes, zwischen BWL und Informatik geben als zur VWL.

Welches psychische Gemengelage nun die Leute, die Lehrpläne aushecken und akademische Fachrichtungen schmieden, bewogen hat, die VWL zu den Kaufleuten zu stecken, ist unklar, aber letztlich egal. Da sich aber mit Hayek so schön kalauern lässt, stellen wir fest, dass es Anmaßung von Wissen (Hayek in seiner Rede bei Verleihung des Nobelpreises) ist, wenn man keinen Plan über zukünftige Berufsaussichten und Lebensentwürfe hat, aber den Studis vorschreibt, was sie machen müssen. Die geplante Planlosigkeit sozusagen.

Bei der Gelegenheit sind wir ganz bei Hayek, auch wenn die Adepten Hayeks in dozierender Funktion hier nicht bei Hayek sind.

Das Individuum hat hier die konkreteren Informationen bezüglich seiner individuellen Situation und kann daher seine Person betreffend die besseren Entscheidungen treffen. Wir sehen also, dass die VWL nicht nur eine Schnittstelle zur Psychologie hat, sondern auch selbst Gegenstand psychologischer Forschung werden kann. Denn die Wahrnehmung ist durchaus von Interesse geprägt. Auch wenn man eine Tatsache prinzipiell akzeptiert, in diesem Falle die Anmassung von Wissen, kann es durchaus sein, dass man diese Erkenntnisse nur dann für gültig erklärt, wenn sie nützt und frommt.

Sachlogisch hat die VWL am meisten Schnittstellen zur Politikwissenschaft und Soziologie, das ist der erste Grund, warum dieser Bereich hier aufgenommen wird. Philosophie nehmen wir auf, weil sie teilweise das Wirtschaftssystem viel radikaler in Frage stellt. Das ist eine Sichtweise, die man kennen sollte.

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Historisch und praktisch hat die Volkswirtschaftlehre zahlreiche Schnittstellen zur Soziologie, Politikwissenschaften, Philosophie

 

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